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Wie Max Frisch einst schon erkannte: Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Daher möchte ich mit Ihnen hier und heute nach vorne blicken.

In den letzten Tagen war die Anzahl der negativen Nachricht immens. Wir verzeichnen eine ansteigende Zahl von Infizierten und von Todesfällen, in Deutschland und weltweit.

Und inmitten dieser Nachrichten: Videos von improvisierten Konzerten in Italien, von Gratulationen für das Medizinpersonal in Spanien, von singenden Tenören am Balkon. Auch Antenne Bayern hat eine Aktion initiiert.

Krisen bergen Chancen und Risiken. Oft sind wir auf die Risiken fixiert und übersehen die Chancen. Welche?

Die Einschränkungen, die Auswirkungen dieser Krise geben uns die Chance, unseren Lebensstil zu überdenken, zu überprüfen. Neue Aspekte in den Fokus zu rücken, Kompetenzen zu entwickeln.

Matthias Horx beschreibt den Herbst 2020 in Kress: „Wir werden uns wundern, wie schnell sich plötzlich Kulturtechniken des Digitalen in der Praxis bewährten. Tele- und Videokonferenzen, gegen die sich die meisten Kollegen immer gewehrt hatten (der Business-Flieger war besser) stellten sich als durchaus praktikabel und produktiv heraus. Lehrer lernten eine Menge über Internet-Teaching. Das Homeoffice wurde für Viele zu einer Selbstverständlichkeit – einschließlich des Improvisierens und Zeit-Jonglierens, das damit verbunden ist“.

Ich beschäftige mich täglich mit der Kompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung. Daher würde ich gern diesen Aspekt mitten in der C-Krise näher beleuchten.

Welche Kompetenzen könnten wir in der Krise entwickeln?

  • Resilienz

Die meisten von uns kennen Kriege nur aus Dokumentarfilmen. Wir haben nicht erlebt, was es bedeutet, alles zu verlieren. Neu anfangen zu müssen. Vertrieben zu sein. Den Vater am Schlachtfeld zu verlieren. Daher ist in vielen Fällen unsere Fähigkeit, mit Krisen umzugehen nicht ausreichend entwickelt. Bislang ist unser Leben womöglich ohne ernsthafte Krisen verlaufen.

In den Krisen lernen wir priorisieren, rational -und nicht ideologisch- Entscheidungen treffen, auf Unnötiges zu verzichten, liebgewordene Gewohnheiten sein lassen, andere in den Entscheidungen miteinbeziehen, Gemeinsinn, auf andere achten usw.

Menschen können aus den Krisen stärker hervorgehen, wenn sie eine starke Psyche entwickeln und vorwärts denken. Wir haben das Beispiel von Rollstuhlfahrer Boris Grundl. Ehemaliger Sportler, der heute als Führungskräfteentwickler, Vortragender und Buchautor arbeitet und dies trotz oder gerade wegen des Handicaps. Auch viele Beispiele von Americas Got Talent zeigen, dass es möglich ist, aus einer schweren Situation gestärkt herauszukommen. Schwierig? Ja. Unmöglich? Nein. „Let´s try it“.

  • Gemeinschaftssinn

Vergleicht man unsere Gesellschaft mit Menschen aus dem fernen Osten, fällt u.a. dabei auf, dass wir sehr individualistisch sind. Als Südeuropäer ist mir dies aufgefallen als ich nach Deutschland kam. Im Alltag wäre hierzulande etwas mehr Gemeinschaftssinn durchaus von Vorteil. Man denke z.B. am Individualverkehr. Viele Staus, viele Unfälle entstehen aus dem Mangel an Gemeinschaftssinn. Wir nehmen zu wenig Rücksicht auf andere. Die C-Krise können wir nur gemeinsam meistern. Wir müssen Ältere schützen und helfen. Vor kurzem noch als „Umweltsau“ gebrandmarkt, jetzt als schutzbedürftig eingestuft. Wir kennen von vielen Fällen, wo Nachbar für ältere Leute einkaufen gehen usw. Die oben erwähnten Aktionen aus Italien, Spanien und Bayern sind ein Beweis dafür, dass Gemeinschaftssinn unser Leben durchaus bereichern kann.

„Denket auch, dass Schwierigkeiten und Hindernisse eine wertvolle Quelle der Kraft und Gesundheit einer jeglichen Gemeinschaft sind“, Albert Einstein.

  • Respektvoll miteinander umgehen

Die Pandemie achtet nicht auf Geld, Bildung, Staatsgrenzen. Jeder und jede kann sich anstecken. Jeder und jede stellt auch eine Gefahr für andere, weil er oder sie den eigenen Gesundheitszustand nicht immer kennt. Die von den Ärzten verordneten Schutzmaßnahmen wie Abstand erfordern ein Mitdenken, ein an die Anderen denken. Die von den Nachrichten erwähnten Hamsterkäufe stellen eine Verletzung dieses Respekts füreinander. Die Lieferketten und die Lieferfähigkeiten mancher Produkte sind erheblich beschädigt, sodass es manche Produkte nicht in den Mengen vorliegen, wie wünschenswerte: Desinfektionsmittel, Schutzmasken usw. Diese sind für Fachpersonal notwendig, nicht für die Bevölkerung. Auch hier haben wir die Chance, aus Respekt vor dem Fachpersonal nichts einkaufen, was deren Arbeit behindert.

  • Hilfsbereitschaft

Die Anekdoten aus vielen Ländern wie Italien und Spanien sind letztlich an Dankeschön an die Menschen, die in den letzten Tagen und Wochen einen erheblichen Mehraufwand in ihrer Arbeit bewältigen mussten. Sie haben es gern getan. Die positive Haltung vom medizinischen Dienst zieht die anderen in deren Bahn und führt allgemein zu meiner Hilfsbereitschaft untereinander. Wir leben weniger isoliert, weniger fixiert auf die eigenen Sorgen und Ängste. Und schauen über den Tellerrand.

  • Veränderungen anzustoßen

Wenn das Bewährte nicht mehr greift. Wenn der übliche Alltag nicht mehr möglich ist, dann erfordert dies von uns Änderungen: andere Gewohnheiten, veränderte Blickrichtungen. All diese Jahre ohne Krise formten einen mehr oder minder sinnvollen Lebensstill. Fridays for Future hat den Versuch unternommen, an unseren Lebensstil zu rütteln. Viel hat sich seitdem nicht geändert. Die C-Krise kann -auch wenn nur kurzfristig- die Veränderungswilligkeit von uns allen wieder wachrütteln und letztlich entwickeln.

  • Kreativität

Wo alte Lösungsansätze nicht mehr greifen, ist Kreativität notwendig, um neue Lösungswege zu finden. Der Mensch ist während der Kindheit sehr kreativ. Er kennt noch keine definierten Wege, die ihn einschnüren. Er hat letztlich keine Erfahrung, die ihn konditioniert. Kreativ sein bedeutet, sich die „Kindheit im Manne“ über die Jahre zu erhalten. Kinder kommen auf Lösungen, die wir Erwachsene nur schwer erahnt hätten. Kreativität bedeutet ausgetretene Pfade verlassen und etwas Neues wagen. Kreativität hat viel mit Mut. Sich auf Unbekanntes einzulassen.

  • Risikokompetenz

„Mut tut gut“ las ich vor einigen Jahren auf einem Plakat. Den Satz habe ich „tausendfach“ weitergegeben, weil er in der Kürze alles wiedergibt, was wir brauchen: Mut zur Veränderung. In diesen Tagen erleben wie mutige Firmen das Geschäftsmodell ändern und neue Produkte für die Krisenzeit anbieten wie Trigema mit dem Mundschutz. Viele Anbieter von Präsenzveranstaltungen haben deren Produkte digitalisiert. Dies erfordert neue Vertriebswege, neue Produkte, neue Kompetenzen. Hieß es früher, die „schnellen fressen die langsamen“. So heißt es heute: „die mutigen fressen die ängstlichen“!

  • Lösungsorientierung

Als ich nach Deutschland lernte ich einen Satz, den ich zu meinem Lebensmotto gemacht habe: „Wo ein Wille, da ein Weg“. Wir haben oft das Gefühl, vor verschlossenen Türen zu stehen! Nichts geht mehr. Es ist gibt kein Weiterkommen. Und plötzlich ein Hinweis von Freunden, von Verwandten. In vielen Seminaren verwende ich den Satz: „Wenn Du Dir nicht im Wege stehst, steht Dir niemand im Weg“. Die Lösung einer jeden Aufgabe beginnt mit dem „Positive Thinking“. Mit der Überzeugung, ich finde eine Lösung. Manchmal bedeutet dies ein Paradigmenwechsel im Denken. Häufig gehen wir mit einem negativen Ansatz an die Themen. Es heißt so schön: „Die Not macht erfinderisch“. Niemals in der Geschichte der Menschheit herrschte so ein Überfluss an Gütern, an Möglichkeiten. Viele von uns kennen nicht die Alltagsnot. Daher ist unsere Fähigkeit, Lösung zu finden, unterentwickelt. Die C-Krise kann ein „Revival“ bedeuten.

Zu guter Letzt sein auf ein Video von Johannes Hartl zum Thema „Umgang mit Krisen“ hingewiesen.

Prof. Nico Rose hat während der C-Krise eine interessante Studie durchgeführt. Hier die Ergebnisse. Es zeigt die positiven Effekte der Krise.