@NorbertBolz (Link in Wikipedia) beschreibt in seinem Buch „Der alte weiße Mann“ den relevante Aspekte der Gesellschaft in Deutschland im Jahr 2023. Das Buch ist 3/2023 erschienen.
Prof. Bolz ist emeritierter Professor der Kommunikationstheorie. Daher ein Kenner der Medien und deren heutigen Usancen. Darüber hinaus hat Bolz die letzten Entwicklungen der soziopolitischen Strömungen im Lande beobachtet und analysiert. Das Buch ist eine Art Ergebnispräsentation seiner Analysen. Und wie ich finde, zutreffend.
Aus dem Buch ließen sich hunderte von Zitaten wiedergeben. Ich werde mich auch einige wenige beschränken, und diese einordnen und kommentieren.
Die NZZ.ch titulierte neulich einen Artikel mit den Worten: „Alte weiße Männer: Wie aus einer Beschreibung eine Beschimpfung wurde“. Diese Beschimpfung entstand in den USA im Jahre 1998 von der Feministin Betty Friedan. Seit ca. 5 Jahren wird diese Bezeichnung genüsslich von linken Kreisen in Deutschland verwendet. Da sich Bolz in seinem Buch vornehmlich mit den linken Strömungen in unserer Gesellschaft befasst, betitelt er das Buch mit dem „Schlachtwort“ der Linken: „Der alte weiße Mann“.
Umgang mit der Wahrheit
Im Zeitalter der Facts und Fakes befasst sich Bolz mit dem Umgang der Medien mit der Wahrheit. Sein Postulat: „Das 21. Jahrhundert hat als Zeitalter der emotionalen Inkontinenz begonnen: Die Wahrheit muss verletzten Gefühlen weichen“. Die Wahrheit genießt nicht mehr die höchste Priorität, sondern die Gefühle der leidenden Minderheiten. Dazu schreibt er „So wird das Pathologische normalisiert und das Normale als pathologisch stigmatisiert“. Damit wird das Anormale als Norm für eine Gesellschaft.
Dann zitiert Bolz Johan Huizinga mit dem Worten: „Wir wollen betrogen werden„. Ergänzend dazu der Satz von Bolz: „Falschmeldungen wirken nämlich auch dann, wenn man weiß, dass sie falsch sind. Es bleibt immer etwas hängen, sagt man zu Recht“. Gerade während der Corona-Pandemie haben wir die Wirkung der Falschmeldungen im eigenen Leibe spüren können.
Bolz geht in die Tiefe und fragt sich, wie die Aufklärung die Wahrheitsfindung beeinflusst hat. Er kommt jedoch zu einem vernichtenden Urteil: „Und hier wird die zweite Naivität der Aufklärung deutlich, der Glaube nämlich, dass die Menschen die Wahrheit suchen und den Schein fliehen“. Daran erkennen wir, dass sich Theorie und Praxis auseinander entwickeln können, wenn die Theorien keine empirische Grundlage haben.
Medien als Medium der Propaganda
Der Umgang der Medien mit der Information über die Corona-Pandemie bestätigte die These von Michael Müller aus dem Buch: „die leise Diktatur“. Bolz versteht die Kommunikationsform der Medien zum Teil als Propaganda. Damit wollen die Medien das Verhalten der Bürger beeinflussen: „Weiße Lügen sind gut gemeinte Übertreibungen, mit denen man die unmündigen Bürger in die richtige Richtung schubst, also die Propaganda der Gutmenschen“. Gutmensch wird hier verstanden als jene Art von Menschen, die sich als Richtschnur fürs Verhalten anderer Menschen versteht. Ein Gutmensch macht grundsätzlich alles richtig -so sein Mantra.
Laut Umfragen fühlen sich über 50% der Bürger hierzulande eingeschränkt in der freien Meinungsäußerung. Folgerichtig greift Bolz das aktuelle Thema auf: „Die Meinungsfreiheit ist in Gefahr, wenn Journalisten damit beginnen, sich nach der politischen Opportunität bestimmter Nachrichten zu fragen“
Ein Psychologe hat neulich Fernsehprogramme hinsichtlich ihrer Meinungsmanipulation untersucht. Sein Urteil war vernichtend. Daher geht auch Bolz auf das Thema ein: „Immer mehr Journalisten missverstehen sich als politische Aktivisten und willige Helfer der Regierungspropaganda“. Wir erinnern uns an die Fernsehprogramme der Öffentlich-Rechtlichen während der Pandemie. Sie hörten sich an wie Propaganda-Organe der Regierungen. Ausländische Medien haben dieses Verhalten heftig kritisiert.
In einer Diktatur darf man regierungskritische Meinungen äußern, die Konsequenzen für die Dissidenten sind häufig verehrend. In Deutschland gibt es keine Dissidenten, „nur Abweichler“. Dieser Begriff klingt aber harmlos, die Folgen können vernichtend sein. Wer während der Corona-Pandemie eine von der Regierung abweichende Meinung vertreten hat, war ein „Quer-Denker, ein Schwurbler, ein Verschwörungstheoretiker -allesamt Abweichler. Diese Menschen wurden von den Medien und den Regierungsorganen entsprechend traktiert. Dies veranlasst Bolz zum Satz: „Es gibt keine Freiheit des Denkens ohne die Möglichkeit einer öffentlichen Mitteilung des Gedachten“.
Ansätze von Fundamentalismus
Das Buch von Bolz greift einen zentralen Punkt der westlichen Kulturen auf: Die Tendenz zum Fundamentalismus. Dieser sollte nach der Aufklärung überwunden sein. Nein, dieser ist im Kommen: „Wir haben es heute mit einem multiplen Fundamentalismus zu tun: Öko, Gender, Islam“ so Bolz.
In diesem Fundamentalismus legen die Minderheiten die Richtlinien für die Mehrheiten fest: „Die Gewohnheiten und Traditionen der Minderheiten und Migranten werden geschützt – und das ist der Kern der Multikulti-Ideologie-, die Gewohnheiten und Traditionen der Mehrheit und der Einheimischen dagegen werden bekämpft“. In Frankreich leben viele Muslime. Daher wurde jetzt ein Burka-Verbot erlassen. D.h. Länder rudern zurück, um die Hoheit der Mehrheit wieder zu erlangen.
Um den Fundamentalismus zu vermeiden hatte Descartes einen Ratschlag parat „Folge den Gesetzen und Gewohnheiten, vermeide Extreme, orientiere dich am wahrscheinlich Richtigen und beschränke dich auf das, was in deiner eigenen Macht liegt“.
Konservatismus als Lösung
Bolz präzisiert treffend den Begriff Konservatismus als „der Glaube an die Normalität. Gesunder Menschenverstand ist der Sinn für Normalität“. Damit stellt er den Konservatismus als Antwort auf den Realitätsverlust, den er bei Journalisten und Linken feststellt.
Und Bolz geißelt den Trend zum Relativismus: „Wenn die Gesellschaft keine Normalität mehr kennt, fördert sie Rebellion und Neurose gleichermaßen und befreit damit die Menschen von der Last des Realismus“.
In diesem Zusammenhang konnte der Begriff „rechts“ nicht fehlen: „Fast alle Selbstverständlichkeiten, Gewissheiten und Normalitätsannahmen des Bürgertums gelten heute als rechts“.
Bolz stellt fest, dass „die Lebensform der Bürgerlichkeit ist vielleicht die wichtigste Bedingung erfolgreichen Wirtschaftens in einer modernen Gesellschaft“. Und diese Feststellung lässt mit den Theorien der Psychologie bestens erklären.
Beenden wir diesen Abschnitt mit einem finalen Satz von Bolz als eine Art Vermächtnis: „Geschäftlicher Wohlstand hat den Menschen in ein spirituelles Vakuum gestoßen, das durch den radikalen Bruch mit der religiösen Tradition entstanden ist. Etwas entscheidendes ist verloren gegangen“.
Woke-Bewegung
Wer die gesellschaftliche Entwicklung im Jahr 2023 analysiert, darf die Woke-Bewegung nicht ignorieren. Sie ist präsenter und aggressiver denn je. Folgerichtig kommentiert Bolz sie. Zum einen der Effekt der Blase in der Woke-Welt: „Viele Woke Aktivisten fühlen sich durch logisches Denken intellektuell belästigt“. Diese Aktivisten haben eine Ideologie aufgebaut, die Toleranz und Realität ausschließt. Daher sagt Bolz: „Die aggressiven Intellektuellen sprechen eine Jugend an, deren Mentalität durch Langeweile, Angst und Enttäuschung über die spießige Bürgerlichkeit des Wohlstandes geprägt ist“. Für Bolz schließen sich Woke-Bewegung und der Konservatismus aus. Sie sind schlichtweg inkompatibel. Der eine ist ideologisch, der andere rational.
Zum Abschluss des Artikels ein entscheidender Satz von Bolz: „Die Stärke der Woke-Bewegung liegt darin, dass sie lautstark, aggressiv und intolerant sind, während die Mehrheit ihre Ansprüche toleriert oder schweigt“.
Das Buch von Prof. Norbert Bolz ist aus meiner Sicht empfehlenswert, auch wenn länger ausgefallen als notwendig.
Neueste Kommentare